Spät, aber angesichts der mit 22 Tourenwagen-Nennungen bislang höchsten Starterzahl offenbar nicht zu spät, kamen die Rennen in der Lausitz vom 24. bis 26. Mai erst kurz vor Verabschiedung in den Kalender des ADAC Historic Cup Ost 2024.
Klar, das Angebot lockte auch zu sehr: Ein Start im Rahmenprogramm der DTM auf dem DEKRA Lausitzring – Deutschlands östlichster Rennstrecke mit einem einzigartigen Oval. Die im August 2000 unter dem Namen Eurospeedway Lausitzring mit großen Ambitionen und Platz für 120.000 Besucher eröffnete Anlage ist gigantisch groß. Auf ihrer Haupttribüne und im Fahrerlager genossen am vergangenen Wochenende insgesamt rund 45.000 Besucher spannende Rennen in DTM, GT4, Prototypen und ADAC Historic Cup Formel und Tourenwagen.
Los ging es für die Historic-Cup-Meute mit Dach überm Steuer wie gewohnt schon am Freitagmorgen mit dem freien Training auf der 3478 Meter langen Strecke. Diejenigen, die hier zum ersten Mal starteten, staunten nicht schlecht über die vielen möglichen Linien, die zum Kurvenräubern einladen. Insbesondere der gefühlt kilometerbreite Trichter von der Gegengerade des Ovals zurück durch eine enge Links ins Infield bot reichlich Diskussionsstoff über die vermeintlich schnellste Linie. Zum Qualifying am frühen Nachmittag erübrigten sich aber viele dieser Überlegungen gleich wieder. Regen veränderte die Grip-Verhältnisse im Qualifying so derartig, dass mancher Angriff auf die Pole Position mit einem ungewollten Abstecher durchs Kiesbett scheiterte. Den besten Startplatz sicherte sich in dieser Saison einmal mehr Jens Herkommer im Skoda 130 RS, dem unter diesen Bedingungen sicher auch seine Drifterfahrungen als Rallyepilot zugutekamen. Dahinter belegten mit Peter Gröning, Dieter Hoffmann und Gaststarter Nico Unbehaun gleich drei Lada-Piloten in ihren frontgetriebenen Samara die nächsten Plätze. Insgesamt fünf Lada und fünf Skoda unter den besten 10 im Qualifying zeigen, wie ausgeglichen und eng beieinander das Feld der Tourenwagen dieses Jahr besetzt ist.
Wer die Lausitz und die Geschichte früherer Regenrennen dort ein wenig kennt, dem schwante angesichts wechselhafter Wetterprognose nichts Gutes für die folgenden Rennen. Der Wettergott schüttete seine Launen aber im wahrsten Sinn des Wortes über die „Großen“ aus und ließ uns „Kleine“ verschont. Während das Hauptrennen der DTM am Samstag gleich zweimal aufgrund überfluteter Piste mit der roten Flagge unterbrochen werden musste, konnten die 21 Tourenwagenpiloten des Historic Cups den Scheibenwischer sowohl Samstag als auch Sonntag ausgeschaltet lassen. Polesetter Jens Herkommer stürmte Samstag relativ ungefährdet der Konkurrenz auf dem Weg in die Links am Ende der Start-Ziel-Geraden davon. Ein Manöver, dass er am Sonntag 1:1 wiederholen konnte. Dahinter rangelte sich die Meute der jeweils 20 Verfolger, Samstag disziplinierter als Sonntag, um die Plätze. Dieter Hoffmann musste in beiden Rennen seine ganze Routine in die Waagschale werfen, um zum Teil besser gestartete Konkurrenten zu kassieren, konnte aber beide Male den zweiten Platz erkämpfen. Nico Unbehaun komplettierte als bester Gaststarter jeweils das Podium – im Rennen am Sonntag allerdings nicht ganz unumstritten nach einem Stoß mit Folgen aufs linke hintere Heck des Skoda 1000 MB des bis dahin vor ihm liegenden Jens Vogt. Der fiel nach Dreher fast ganz ans Ende des Feldes zurück, konnte sich dann zumindest noch bis auf Platz 10 wieder vorkämpfen. Doch nicht alle hatten das Glück, die Rennen zu beenden. Samstag erwischte es unter anderem Frank Regel, dessen Lada 21013 auf dem Weg aus dem Infield raus ins Oval auf den Wellen im Asphalt die Kurve nicht bekam und seine vordere rechte Ecke an der Mauer kalt verformte. Beim Rennen am Sonntag zeugte noch reichlich Racetape von den „Wunden“. Mit Platz sechs konnte Regel nach den technischen Problemen auch bei den vorherigen Rennen dann aber doch wieder richtig Gas geben und von hinten sogar bis auf den sechsten Platz vorfahren. Noch eine Position vor ihm landete Sebastian Dross, dessen Motor im Lada 21011 am Samstag mangels Leistung noch zur Aufgabe zwang. Überhaupt forderte (und überforderte) der Lausitzring mit seinen langen Geraden bei frühsommerlichen Temperaturen in einigen Tourenwagen nicht nur thermisch die Technik: Am ärgsten erwischte es Sonntag Michael Borstel, dessen Kupplung sich schon kurz nach Rennbeginn explosionsartig den Weg durch die Getriebeglocke nach außen suchte. Borstel gab sich beim Einpacken jedoch zuversichtlich: „In Tschechien sind wir wieder am Start!“. Die Rennen dort zum Brno Grand Prix Revival finden vom 12. bis 14. Juli 2024 statt.
Andreas Leue